Mittwoch, 19. November 2014

Ness of Brodgar 2014

Kaum wird das Wetter hier herbstlich farblos und feucht, bekommt man beim Gedanken an Orkney feuchte Augen. Auch dort packt man jetzt die Touristen in Watte, lagert sie in luftdichte Kisten, damit man sie nächstes Jahr wieder frisch auf die Sehenswürdigkeiten loslassen kann - oder zumindest so ähnlich.

Aber noch was anderes hat sich getan: Die Ausgrabungen am Ness of Brodgar wurden fortgesetzt. Wer will, kann sich das im Grabungstagebuch, das sechs Wochen lang lief, hier ansehen: http://www.orkneyjar.com/archaeology/nessofbrodgar/2014/07/dig-diary-monday-july-14-2014/

Wer dazu zu faul oder des Englischen nicht so mächtig ist, bekommt von mir eine Zusammenfassung. Das Vorwissen, was am Ness of Brodgar geboten wird, setze ich mal voraus. O. K., ein wenig Grundwissen ist vielleicht doch nicht schlecht:
In der Jungsteinzeit war Orkney ein Knotenpunkt des Handels und der Religion. So was wie die Wallstreet, wenn sie in Jerusalem liegen würde. Außerdem war das Klima gut und man konnte es sich leisten weniger zu arbeiten und dafür mehr zu bauen, zu verehren, zu gestalten, zu handeln und sich auszudenken.

Daraus resultierte ein Zentrum am heutigen Ness of Brodgar, an dem es alles gab, was man damals so brauchte: Zeremonialbauten, das Tafelsilber der damaligen Zeit (aus gebranntem Ton), Spezialwerkzeuge, einen Farbenladen, Gimmicks (Axtköpfe 2.0 und so was) und jede Menge zu essen. Was man damit dort so gemacht hat, weiß man nicht, aber es ging ziemlich rund. Die Gebäude wurden über Jahrtausende hinweg genutzt und schließlich bewusst zerstört. Und wie! Man hat hunderte von Rinderknochen gefunden, die wohl alle gleichzeitig aufgebrochen und deponiert wurden. Man muss sich ein Gelage von gewaltigen Ausmaßen vorstellen, von dem tausende von Menschen satt wurden. Die haben sich vollgefressen, die Rinderknochen (nur die Schienbeine und einen einzigen Schädel) zeremoniell deponiert, mit Rotwild abgedeckt und dann alles unter massenhaft Erde begraben. Kann sein, dass sie keine Lust mehr auf diesen Steintempel hatten, als die Bronzezeit heraufgezogen ist, kann sein, dass die Anhänger einer neuen Religion gekommen sind und gesagt haben: "Diesen ganzen Blödsinn mit den heiligen Kühen haben wir sowas von satt, wir machen den Laden jetzt dicht!"

Keiner weiß es ... Aber mit jedem Zentimeter, den die Archäologen weiter ins Erdreich vorstoßen, kommen mehr Fragen ans Licht, die vielleicht auch zur ein oder anderen Antwort führen.
Also auf zur Grabung des Jahres 2014.

Nick Card, der Grabungsleiter hatte für die Saison 2014 wieder die Bodenfunde der Strukturen 1, 10 und 14 auf die Tagesordnung gesetzt. Besonders interessant war dabei der einzelne Stein im Zentrum, der damit wahrscheinlich auch das Zentrum des neusteinzeitlichen Kultes bildete. Struktur 12 sollte vollständig ausgegraben und ein paar neue Gräben gezogen werden, die mehr über den Ort an sich verraten.

Außerdem Ziel: Graben T im Südosten, der vertieft werden sollte, um zu klären, ob hier der größte historische Müllhaufen ganz Großbritanniens lag oder ein weiteres Gebäude darunter verborgen liegt.

Aber erstmal war Auspacken angesagt. Die Grabung wurde den Winter über durch Planen und Sandsäcke geschützt, die jetzt wieder weg mussten. Und das war nicht nur anstrengend, sondern auch manchmal ekelig. In den Sandsäcken war früher Fischmehl und die Reste gammeln fröhlich vor sich hin ...

Mit dem Verfall haben auch die Knochen und sogar die Steine zu kämpfen, die man hier findet. Im Graben T tauchte zum Beispiel ein Stück Rinderschädel auf, der einem gewaltigen Tier, vielleicht sogar einem Auerochsen, gehört haben muss.

Bisher sind etwa 10 % der Fläche ausgegraben und das auch nicht vollständig. Noch immer ist man nicht in der Fläche auf dem Niveau des ursprünglichen Bodens angekommen, aber immerhin zeigen einzelne Stichgräben, dass die Mächtigkeit zwischen ca. 1 und 3 Metern liegen kann und man an einigen Stellen nur noch wenige Zentimeter von der Basis entfernt ist.

Schon in der Steinzeit gab es die verschiedensten Werkzeuge für jede Art von Bedarf. Von der Wegwerfklinge, die man eben mal schnell aus Feuerstein schlägt bis zu fein bearbeiten Messern, die wie ein Fleischerbeil ohne Griff aussehen und "Shetland Knifes" genannt werden. Viele der Spachteln aus Stein, die gefunden wurden, dienten wahrscheinlich der Bearbeitung von Ton. Und über einen Mangel an Ton konnten sich die Archäologen wirklich nicht beschweren. Auch hier gab es die verschiedensten Formen (unter anderem Gefäße, die so aussehen sollten als wären sie aus einem anderen Material), manche mit aufwändiger Verzierung und für die praktische Verwendung völlig ungeeignet.

Außerdem war die Steinzeit bunt. An den Mauersteinen konnten Pigmente nachgewiesen werden, die z.B. in Schlangenlinien die Wände schmückten. Ansonsten waren in den Stein geritzte Winkel, Dreiecke und "Schmetterlinge" in Mode. Hin und wieder auch eingeklopfte Wellenmuster.

Auch bei den Steinen unterschied man zwischen praktisch und schön. So tauchte ein polierter, roter Stein auf, der sich kaum von einem unterschied, den man vor ein paar Jahren gefunden hatte. Der Verwendungszweck ist unbekannt.
Ein anderer Stein scheint hingegen als mobiler Amboss gedient zu haben. Grob würfelförmig ist er oben flach und an den seiten konkav - genau richtig um ihn sich zwischen die Knie zu klemmen und etwas darauf zu bearbeiten.

Eine weitere Kategorie stellen zerbrochene Beile dar, die man wahrscheinlich absichtlich zerstört hat, denn man findet immer nur die vordere Hälfte. Wenn man wüsste, wo das Hinterteil abgeblieben ist, könnte man vielleicht auch sagen, in welchen Kontext man die Zerstörung setzen sollte.

Aber man wird ja auch noch in den kommenden Jahrzehnten fleißig am Ness of Brodgar graben ...

Donnerstag, 24. April 2014

Rousey, die Insel von Pharaoh Rolf

Auf Rousey haben wir uns zum ersten Mal den Kopf darüber zerbrochen, wovon die Leute auf diesen kleinen Inseln eigentlich leben. Sagen wir von den etwas über 200 Einwohnern sind 10 % Landwirte, 10 % in unerlässlichen Infrastruktureinrichtungen wie Schulen und Shops beschäftigt und 30 % Rentner. Und die andere Hälfte? Diese Frage konnten bzw. wollten uns auch die Einheimischen nicht beantworten, was nur einen Schluss zulässt: Auf Rousey muss man nicht arbeiten und die Leute dort wollen nicht, dass das publik gemacht wird.

Die Insel trägt auch den Namen "Ägypten des Nordens", d.h. dort liegen massenweise alte Herrscher mit reichhaltigen Grabbeigaben und Totenmasken aus massivem Gold herum. Wenn man mal nichts zu Beißen hat, muss man also nur ein wenig im Hinterhof graben und die Antiquitäten verkaufen.
Ach ja, wenn es doch nur so einfach wäre ...

Es gibt zwar an die 100 dokumentierte archäologische Stätten, aber erstens reichen die nicht ganz an Ägypten heran und wenn man dort was gefunden hat, dann hauptsächlich Steine, Knochen und Tonscherben.
Unsere Wanderung die Westküste lang führte uns als erstes zum "Taversöe Tuick Chambered Cairn"


Man muss sich folgende Szene nach der Fertigstellung des Cairns vorstellen: Zwei alte Bauern stehen nach dem Richtfest noch eine Weile beieinander und schütteln die Köpfe.
"Nee", sagt der eine "Diese moderne Architektur ist nichts für mich."
"Aber praktisch ist es schon", erwidert der andere. "Zwei Gräber übereinander, das spart eine Menge Platz."
Worauf sich der erste auf der Insel umsieht, die hauptsächlich für rituelle Zwecke genutzt wird und mit den Schultern zuckt. "Meinetwegen. Darüber können wir noch mal reden, wenn hier 1000mal so viele Leute liegen wie jetzt, aber bis dahin lass ich mich in Midhowe begraben."

Aus welchem Grund auch immer: In Taversöe wurden zwei Grabkammern übereinandergebaut, jeder mit einem separaten Eingang. Kein schlechter Einstieg, wenn man sich einen Überblick über die Baukunst der Jungsteinzeit verschaffen möchte.

Denn nicht weit davon entfernt hat man gleich Blackhammer: Langgestreckt, mit einer modernen Dachkonstruktion und ideal um sich unterzustellen, falls es mal regnet (rein hypothetisch, natürlich).



Und falls es wenig später wieder regnen sollte (was praktisch nie vorkommt), dann schaut man sich den Knowe of Yarso an:


Aber das eigentliche Highlight in Sachen Begräbniskultur ist Midhowe. In Midhowe steht ein gewaltiger Cairn mit Mauerwerk im Wellenmuster und daneben ein Broch mit zugehörigen Behausungen.


Man hat den Cairn in einen großen Schuppen gesteckt und kann über Laufstege von oben hineinschauen. Viel zu sehen gibt es zwar eigentlich nicht, aber allein die schiere Größe dieses Dings ist beeindruckend.

Vom Broch aus hat man einen guten Ausblick auf Eynhallow, die heilige Insel, von der man sich erzählt, dass es noch gar nicht so lange her ist, dass dort
a) Touristen verschwunden sind
b) Fin-Folk in seine Heimat zurückgekehrt ist
c) man sich bei der Kontrolle der Passagiere auf der Fähre ein wenig verzählt hat.
Sehr mysteriös jedenfalls.

Wenn man von Rousey spricht, muss man eigentlich auch noch Egilsay und Wyre nennen. Egilsay, weil es eine wichtige Rolle in der religiösen Geschichte von Orkney gespielt hat (hier wurde St. Magnus ermordet) und Wyre, weil dort Cubbie Roo's Castle steht. Über den erzähle ich euch vielleicht ein andermal noch ein wenig mehr.

Aber ich bin mit Rousey noch gar nicht fertig. Hier gibt es natürlich auch ein paar gewaltige Steine, die in der Gegend herumstehen. Oder auch nicht. Der Yetnasteen macht sich nämlich zu Neujahr regelmäßig auf den Weg hinunter zum Lock of Scockness um dort zu trinken. Ein junger Kerl wollte mal sehen, ob das wirklich stimmt und hat sich auf dem Stein auf die Lauer gelegt. Am nächsten Tag hat man seine zerquetschten Überreste gefunden ...

Eigentlich wird es Zeit, dass irgendein einfallsloser Hollywood-Produzent einen schlechten Film daraus macht. Ich wüsste auch schon, einen Protagonisten dafür: Professor Gordon Childe, seines Zeichens Archäologe und bestimmt auch ganz gut im Umgang mit der Peitsche.


Dienstag, 4. März 2014

Schottische Unabhängigkeit - Stichtag 18. September 2014

Am 18. September 2014 entscheiden die Einwohner Schottlands in einem Referendum, ob sie sich vom vereinigten Königreich lösen und einen eigenen Staat gründen wollen, oder nicht.

Achtung es geht jetzt gleich um Politik und es ist alles nicht so einfach, wie es sich anhört.

Ich war gestern wieder mal in der wunderbar wandlungsfähigen Stadthalle von Stromness, wo die Debating Society eine Debatte pro/contra Unabhängigkeit veranstaltet hat. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Eine deutliche Mehrheit der Anwesenden hat sich für die schottische Unabhängigkeit ausgesprochen.

Moment Mal! Schottland unabhängig? Schottland gehört doch zu Großbritannien? Nee, halt zum Vereinigten Königreich ... oder wie? Und was ist dann eigentlich England?

Ich muss ein wenig ausholen: Im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland läuft es ein wenig anders als in Deutschland. Korrigiert mich, wenn ich mich irre, aber bei uns wurde nach dem Zweiten Weltkrieg die Bundesrepublik fertig mit allen Bundesländern gegründet und später hat man die DDR nach diesem Schema als neue Bundesländer eingemeindet. Ich übergehe dabei mal die Problematik Sudetenland und Co. um es zu vereinfachen.

Im Vereinigten Königreich hingegen gibt es eine Struktur, die viel Zeit hatte zu wachsen und seltsame Blüten zu treiben. Deshalb gibt es zum Beispiel Gebiete wie die Isle of Man, die nicht Bestandteil des Vereinigten Königreichs sind, obwohl man als Tourist keinen Unterschied bemerkt, während andere den britischen Monarchen als Staatsoberhaupt haben, ohne dass das Einfluss auf die Politik haben würde.
Also: Es ist kompliziert.

Zurück zu Schottland. Schottland war bis 1707 ein eigenständiger Staat, hatte aber schon seit 1603 keinen eigenen König mehr auf dem Thron. (Warum manche glauben, dass heute ein Bayer darauf sitzen sollte, könnt ihr unter dem Stichwort Jakobiten nachlesen. Als ob es nicht schon kompliziert genug wäre ...)
Danach wurde es mit dem Königreich England vereinigt.

Das bedeutet, dass es danach erst mal eine Weile allein von Westminster aus regiert wurde. Britannien hat ein politisches System mit 3 Kammern, in denen der König, die Adeligen und die gewählten Volksvertreter sitzen. Die Volksvertreter werden in Wahlkreisen mit ähnlicher Bevölkerungszahl gewählt (mit ein paar Sonderregelungen), wobei von den derzeit 650 Wahlkreisen 533 auf England, 40 auf Wales, 59 auf Schottland und 18 auf Nordirland fallen. Folge davon ist, dass die schottischen Vertreter dort nicht wirklich viel mitbestimmen können, wenn es um die eigene Region geht.
Um die Sache ein wenig dezentraler zu gestalten wurden 1998 bzw. 1999 nach Referenden eigene Regionalparlamente für Nordirland, Schottland und Wales bzw. die Metropole London eingeführt (Devolution). Super Sache, damit werden Kompetenzen in Gesundheitspolitik, Bildung, Wirtschaftsförderung etc. neu verteilt. Aber das britische Parlament kann diese Kompetenzen jederzeit einschränken.
Eigentlich könnte man in dieser Richtung weitermachen und dem schottischen Parlament noch mehr Rechte geben, aber vielen genügt das nicht und da es Politik ist, funktioniert es auch nicht so leicht.

Und hier kommt das Referendum ins Spiel, das hier scherzhaft als "Neverendum" bezeichnet wird, weil sich der Hickhack schon seit ein paar Jahren hinzieht.

Dieses Referendum, das die schottische Regierung vorgeschlagen hat und in dem die schottischen Bürger die Frage beantworten sollten, ob Schottland a) unabhängig b) weiter devolutioniert werden oder c) den Status Quo behalten sollte, hat leider erstmal keinerlei rechtliche Auswirkungen. An dem Bund zwischen England und Schottland ist nichts zu rütteln. Schottland hat einfach gesagt gar nicht das Recht sich unabhängig zu machen.

Aber nachdem die britische Regierung genügend schmerzliche Erfahrungen mit blutigen Auseinandersetzungen im eigenen Land und Unabhängigkeitskämpfen gemacht hat, wurde im Abkommen von Edinburgh am 15. Oktober 2012 festgelegt, dass das doch geht.
Bedingung: Man macht daraus eine Ja/Nein-Frage. Weitere Befugnisse für das schottische Parlament kommen nicht in Frage.

So und jetzt haben wir den Salat. Schottland hat die Möglichkeit wieder ein souveräner Staat zu werden. Unblutig und damit ziemlich beispiellos in der Geschichte.
Nachdem ich mir gestern die Diskussion angehört habe, bin ich für die schottische Unabhängigkeit, wobei mir auch klar ist, dass das eine Entscheidung zwischen Kopf und Herz ist.
Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass Schottland weiterhin Teil des Vereinigten Königreichs bleibt. Hier wird die Mehrheit weder unterdrückt noch muss sie Hunger leiden oder um die eigene kulturelle Identität kämpfen. Klar gibt es Extreme, die dazu führen, dass Schottland benachteiligt wird, aber andererseits gibt es auch viele Vorteile unter dem Schirm der Krone zu sein.

Wie problematisch oder wirtschaftlich sinnvoll das Ganze ist, kann ich nicht sagen und da werden sich auch die Experten schwer tun. Leicht wird es jedenfalls nicht. Aber mir gefällt der Idealismus, mit dem die Befürworter der schottischen Unabhängigkeit an die Sache rangehen. Mehrfach wurde der Begriff "soziale Gerechtigkeit" angesprochen und auch wenn es dafür nicht unbedingt einen unabhängigen Staat braucht und dabei viele Kompromisse eingegangen werden müssen, finde ich, ist das ein Schritt in die richtige Richtung.
Außerdem fand ich das folgende Argument gut: Momentan ist Schottland ein unbedeutender Teil einer globalen Macht, die globale Politik betreibt, könnte mit der Unabhängigkeit aber ein kleines Land sein, dass die adäquate Politik eines kleinen Landes betreibt.

Wer will, kann sich die Argumente für ein unabhängiges Schottland und für den Verbleib beim Vereinigten Königreich auf den folgenden Internetseiten ansehen: http://www.yesscotland.net/ und http://bettertogether.net/ 

Die interessantere Option ist die Schottische Unabhängigkeit allemal, denn es ist überhaupt nicht klar, wie das dann ablaufen wird und wie man z.B. die Währung und die interstaatlichen Verträge neu regelt. Behält Schottland das Pfund? Fliegt es aus der NATO, der EU und den Vereinten Nationen? Oder tritt es vielleicht der OPEC bei?
Und was würde das für den Rest des Vereinigten Königreichs bedeuten? Muss sich die Navy einen neuen Hafen für seine Atom-U-Boote suchen? Muss sich der Monarch des Vereinigten Königreichs in Schottland noch mal extra krönen lassen um anerkannt zu werden? Verliert das Land an Ansehen und steht am Ende isoliert innerhalb der Eurozone? Und wird die Flagge des Vereinigten Königreichs ohne Schottland in Zukunft so aussehen?


Ach und wer sagt denn, dass Orkney und Shetland dann nicht vielleicht auf die Idee kommen sich von Schottland loszusagen?

Sonntag, 16. Februar 2014

The address to a trifle


Sweet dreams upon your freckled face,
Fair princess o' the custard-race!
Aboon them a' ye tak your place,
Sponge, Cookies or cakes:
Weel are ye wordy o' a grace
As lang's 1000 gummy snakes.

The dapper glass bowl there ye fill,
Put to mellow on a window sill,
Fresh creams compose your tender frill,
Sweet velvet and silk.
Your complexion is a perfect shill
Like honey and milk.

A spoon is all your lovers need,
To part your flesh like frisky reeds,
And digging fast with growing greed
Arriving at erubescent deeps
They shiver: from your heap
Divine nectar starts to weep.

Then, horn for horn, they stretch an' strive:
Deil tak the hindmaist! on they drive,
Till a' Haggis-swall'd kytes blyve,
Are soothed by your grace;
Auld Guidman no longer like to rive,
Wipes his face.

Is there that o're his Tiramisu
Or doughnut that wad staw a sow,
Or Creme Brulee wad mak her spew
Or sorbet, resembling sleet,
Looks down wi' sneering, scornfu' view
On sic a sweet?

Poor devil! see him ower his trash,
As feckless as a wither'd rash,
His spindle shank, a guid whiplash,
His nieve a nit;
Thro' bloody flood or field to dash,
O how unfit!

But mark the Rustic, trifle fed,
Elysian clouds surround his head,
Divine his strength in barn and bed
A darling of the women fair
A model of a life to be led
Müesli eaters beware!.

Ye Pow'rs wha mak mankind your care,
And dish them out their bill o' fare,
Auld Scotland wants nae skinkin ware
That tastelessly rifles
Through the bowel. Wish her gratefu' prayer,

Gie her a trifle!


Frei nach Robert Burns.

Mittwoch, 12. Februar 2014

The adress to a haggis auf Deutsch - Die Ansprache an einen Haggis

Meine Übertragung nach "The adress to a Haggis", also die "Ode an einen Haggis" oder "Ansprache an einen Haggis" von Robert Burns mit einer Entschuldigung an die Haute Cuisine und alle Nicht-Schotten ^__^

Aber so richtig genießen kann man dieses vor Fett und Testosteron strotzende Gedicht eh nur im Klingonischen Original.

Qapla'!



Leb wohl mit Deinem herzensguten Gesicht,
Du größter Feldherr aller Fleischgericht'!
Der sich über alles erhob:
Magen, Pansen oder Darm.
Dir gebührt gewiss ein Lob,
Lang wie mein Arm.

Die Schüssel füllst du überbordend aus,
Dein Arsch macht sich wie ein Hügel aus,
Dein Holzspieß trüg' ein Mühlenhaus,
Wenn's nötig wär'
Und aus deinen Poren voll des Taus,
Rinnt heller Bernstein hehr.

Wie der Diener nun sein Messer wetzt,
Dich art- und kunstgerecht verletzt,
Dein Inneres an die Sonne setzt,
Wie einen Graben, weil es ihn ergötzt.
Oh, was für ein Anblick bist zu jetzt!
Warm-dampfend, vielgeschätzt!

Dann, Löffel für Löffel setzt man Dir zu
Hol's doch der Teufel, es ist erst Ruh,
Wenn alle Bäuche bis oben zu,
Sind und rund wie ein Tank;
Dann sagt der Gevatter, fett wie 'ne Kuh: Gott sei Dank!

Wer will da noch Ragout aus Frankreich,
Oder Pasta, die 'nem Schweinefras gleicht,
Oder Frikassee, von dem 'ne Sau speit?
Voll Verachtung schaut er immer,
und ganz zu Recht mit Eitelkeit,
Hinab auf diese Art von Dinner.

Armer Teufel! Schau ihn an und seinen Fraß,
Dürr wie ein Hänfling und so blass,
Mit dünnen Beinchen wie ein Has',
Die Faust 'ne Nuß,
Der nicht über's Land kommt, durch's Gras,
Selbst wenn er muss!

Schaut euch unseren Haggis-Esser an,
Die Erde bebt, das ist ein Mann!
Lass ihn nicht ans Messer ran,
Er lässt es zischen
Und schneidet damit Bein' und Arm'
Als würd' er Disteln wischen.

Ihr Mächte, die den Menschen pflegen,
Und ihm den Speiseplan vorlegen,
Stinkefras für's alte Schottland? Von wegen!
Keine Suppen und derlei mehr.
Gewährt uns Gunst auf allen Wegen:
Den Haggis her!



Donnerstag, 6. Februar 2014

Hexen, Heilige & Helden: Die St. Magnus Kathedrale

St Magnus Cathedral ist die Kirche der Stadt, die ihren Namen von einer Kirche hat. 
Kirkwall = nordisch Kirkjuvagr = Kirchenbucht. Gemeint ist aber Olav's Kirk nicht die Kathedrale.
Das ist um einiges schmeichelhafter als zum Beispiel die Bedeutung von Lerwick und manch anderer Stadt, aber so ganz sauber ist die Sache auch nicht. Denn in der Übergangsphase von den Märtyrern des frühen Christentums zu den Heiligen modernen Typs ging es ganz schön heiß her.


St Magnus in Kirkwall
 Lasst mich deshalb ein wenig ausholen und erst mal was über Magnus erzählen. Magnus Erlendsson war seines Zeichens Earl von Orkney, Märtyrer und Heiliger. Er kam 1075 als Sohn von Erlend Thorfinnsson zur Welt, der Orkney 1098 an Magnus III von Norwegen abgeben musste, für den der Neffe von Erlend, Haakon Paulsson den Thron (oder den Korbstuhl, oder was sie gerade da hatten) bestieg. Magnus diente unterdessen als skutilsvein am Hof von König Magnus. Dort machte er sich aber nicht so viele Freunde, weil er anstatt plündernd durch die Gegend zu ziehen lieber auf dem Schiff blieb und Psalmen sang.


Blick von der Kathedrale nach Osten
Deswegen wird auch keiner was dagegen einzuwenden gehabt haben, als er nach Orkney zurückkehrte und sich dort mit seinem Cousin Haakon die Regentschaft teilte. Wer sich jetzt denkt, dass das niemals gut gehen konnte, hat recht, aber es hat einige Jahre gedauert (bis 1115), bis es zu ernsten Auseinandersetzungen zwischen den beiden kam. Und wie sich das zu der Zeit für echte Wikinger gehört hat, haben sie das bei einem Thing ausdiskutiert und beschlossen sich auf Egilsay zusammenzusetzen. Klarer Fall: Falle.
Haakon, der hier die Rolle des Bösewichts übernimmt, hat nämlich mehr als die vereinbarten zwei Schiffe mitgebracht, Magnus gefangen nehmen und mit einem Beilhieb auf den Kopf töten lassen.  

So weit so unheilig. Aber kaum war Magnus tot und begraben, ging es mit den Wundern los. Das karge Land um sein Grab herum fing plötzlich an zu blühen, Kranke wurden wieder gesund und ein Bischof, der das alles für Quatsch hielt, wurde so lange mit Blindheit geschlagen, bis er am Grab von Magnus betete. Das ganze Programm also, das man braucht, um heiliggesprochen zu werden.

Da man auch damals schon Ahnung von PR hatte, versprach Rögnvald Kali Kolsson, der Neffe von Magnus, die Kathedrale zu erbauen, als er Orkney für sich beanspruchte. (Nebenbei ließ er den gerade amtierenden Earl entführen und später hinrichten, was sicherlich auch geholfen hat.)
Und bis heute kann man hier mit St. Magnus punkten. Auch George Mackay Brown hat ein Buch über Magnus geschrieben und man kommt nicht an dem Mann vorbei, wenn man hier ist. 

Da wo heute die Häuser stehen war im 12. Jahrhundert noch das Meer.
Aber zurück zur Kathedrale. Mit ihrem Bau wurde wie gesagt 1137 begonnen und keine 300 Jahre später war man fertig. Aber obwohl man direkt auf ein Fundament aus Fels bauen konnte, hat man nach den ersten paar Jahrzehnten wohl ein wenig angefangen zu schludern, denn der "Neubau" im Westteil neigt sich immer mehr vom Rest der Kirche weg.
Weil die Kirche auf blankem Fels steht, war es auch nicht besonders einfach die Toten zu begraben. Im Sommer hat man deshalb die Türen offen gelassen und ein Gitter eingehängt, damit nicht die Hunde vom Geruch der stinkreichen Leichen angelockt wurden und man es in der Kirche einigermaßen aushalten konnte. Auch der Altarraum war durch einen Lettner abgetrennt, damit die Priester in Ruhe Gottesdienst feiern konnten, während die Laien sich im Kirchenschiff getroffen haben.

Apropros Kirchenschiff: Kirkwall begann direkt an der Kirche, die auch einen eigenen Bootsanleger hatte. Das, was heute die Fußgängerzone ist, gab es damals noch gar nicht.
Irgendwann hat man auch beschlossen den Boden neu zu machen, die Grabplatten vom Boden an die Wände verlegt und all die stinkenden alten Gerippe darunter aus der Kirche nach draußen in ein Massengrab verlegt. Ich kann mir gut vorstellen, wie danach irgendein trantütiger Bischof angerannt gekommen ist und wissen wollte, wo man denn die Gebeine von St. Magnus hinverlegt hat. Schulterzucken allerorten ...
Man hatte zwar das ein oder andere Stückchen des Heiligen nach Shetland oder anderswohin weggegeben, aber wo die Mehrheit der Knochen von Magnus abgeblieben sind, war in Vergessenheit geraten.

Und beinahe wäre es auch der Kirche schlecht ergangen. Im 17. Jahrhundert wurde sie schwer beschädigt, es regnete in den eh schon schiefen Westteil rein und die Kirche würde heute wohl so aussehen wie der Bischofspalast gleich nebenan, wenn nicht Sheriff George MacThoams Thoms of Aberlemno seinen letzten großen Auftritt gehabt hätte. Der gute Mann war ein wenig exzentrisch, zumindest haben das seine verhinderten Erben behauptet. Denn kann man noch ganz bei Trost sein, wenn man der Kirche ein Vermögen hinterlässt, was heute etlichen Millionen entspricht und seinen Angehörigen nur die Jagdwaffen, damit endlich echte Männer aus ihnen werden? Außerdem fand er es ein wenig unbefriedigend, dass er kein Clanchef war, ja noch nicht mal einem Clan angehörte, also gründete er kurzerhand seinen eigenen. Sagt man zumindest, den Clan MacThomas gibt es nämlich schon ein wenig länger. Noch nicht genug? Als Mann des Gesetzes hatte er auch einen ausgefeilten Bußgeldkatalog für seine Diener, sich selbst und sogar seine Katze! Aber er hatte Sinn für Humor, denn er ließ sich extra eine "Lachweste" mit elastischen Seitenteilen anfertigen. Hier gibt es einen zeitgenössischen Zeitungsartikel über Sheriff Thoms und wer will kann das alles ausführlich in "Mirth, Madness & St Magnus" nachlesen. Und noch eine Anekdote, die muss aber unter uns bleiben: Ein Teil seines Erbes ging nach Schottland, wo ein Ankleidezimmer für Frauen dafür gebaut werden sollte. Und genau dort sollte seine Urne aufgestellt werden, damit er auch nach dem Tod was zu sehen bekommt ...

Ich kann mir zwei Gründe vorstellen, warum er einen Narren an der Kathedrale gefressen hat: 
1. Sie ist ebenso versch(r)oben wie Sheriff Thoms.
2. Sie hat ihre eigene Arrestzelle (Marwick's Hole). Eingebaut in eine der Wände ist ein flaschenförmiger Raum, in den man von oben herabgelassen wurde, wenn man was verbrochen hatte. Das konnten schon solche Kleinigkeiten sein wie nicht regelmäßig in die Kirche gehen, also lasst euch nicht erwischen!

In diesem Loch saß im 17. Jahrhundert auch Jane Forsyth, eine mutmaßliche Hexe und sollte auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Zum Glück wurde sie rechtzeitig von ihrem todgeglaubten Geliebten gerettet und ins ferne Manchester gebracht, wo sie glücklich lebten, bis an ihr Ende. 
Achso: Warum man zu wissen glaubte, dass sie eine Hexe ist? Weil sie Unheil vorausgesehen hat, als ihr Geliebter raus zum Fischen gefahren ist und auf eigene Faust losgerudert ist um ein Fischerboot in Seenot zu retten. Na, wenn das mal nicht die perfekte Vorlage für einen Rosamunde Pilcher-Roman ist. Hmm ... vielleicht schreib ich den selber unter einem Pseudonym ...

Mein persönliches Highlight ist das Grab von Dr. John Rae.

The one and only John Rae mit seiner charakteristischen Frisur, Flinte und Shakespeare
Das Buch, das neben ihm liegt, ist übrigens nicht die Bibel oder ein Inuit-Wörterbuch, sondern Shakespeares Werke. Er hat sie überall mit sich herumgeschleppt und sicher wieder zurückgebracht. Heute liegt das Buch in Edinburgh, wer also nachschauen will, ob man Bissspuren von Eisbären findet, nur zu.

Gegenüber liegt William Balfour Baikie, ein Arzt, der 1854 mit einer Expedition in den Niger geschickt worden ist. Man kann hier seinen Bericht Narrative of an exploring voyage up the rivers Kwo'ra and Bi'nue (commonly known as the Niger and Tsádda) in 1854 nachlesen. Er muss ein Mann vom Schlag eines John Login gewesen sein und hat sich gegen den Sklavenhandel stark gemacht. Außerdem legte er den Grundstein dafür, dass Lokoja zu einer wichtigen Hafenstadt am Niger werden konnte. Nebenbei hat er sich auch noch als Sprachforscher und überhaupt universaler Gutmensch betätigt. Kein Wunder, dass er noch immer jedes Jahr anonym Geld für einen Blumenstrauß aus Afrika geschickt bekommt. Außerdem ist "Beke" in der Sprache der Igbo das Wort für "Weißer" und "Großbritannien" wird "Bekes Land" genannt.

Eine der Inschriften am Grab von William Balfour Baikie
Aber das ist noch längst nicht alles. In der Kirche kann man auch eine Sheela na gig bewundern, die sich zum Altar hin entblößt:

Sheela na gig an einer der Säulen
Und es gibt den Grabstein eines Tempelritters:

Grabplatte eines Templers mit Schwert auf der rechten Seite. Das Motiv in der Mitte wurde später hinzugefügt.
Der dazugehörige Steinsarg hat an der Seite einige seltsame Kerben, die davon kommen, dass Krieger ihre Schwerter daran geschärft haben, weil sie dachten, dass das Glück bringt.

Ansonsten findet man darin Gedenktafeln für "Haquinus filius Haquini, Rex Norvegiae", George Mackay Brown, Eric Linklater, die Opfer der durch ein deutsches U-Boot versenkten HMS Royal Oak (der Vorfall führte zur Errichtung der Churchill Barriers) und noch einiges mehr.


Wenn man schwindelfrei ist und das mit Unterschrift bestätigt, kann man sich eine Stunde lang durch das Gebälk der Kathedrale führen lassen und zusehen, wie die Uhr aufgezogen oder die Glocken gespielt werden.

Aber nochmal zurück zu St Magnus. 1917 entdeckte man bei Restaurierungsarbeiten eine hohle Stelle in einer der Säulen. Darin befand sich eine kleine Holzkiste mit Knochen und einem Schädel, der eine charakteristische Kopfwunde aufwies, die durch ein Beil verursacht wurde, so wie es in der Legende von St. Magnus beschrieben wurde.

Und in dieser Säule ruht er noch heute ...

Die Ruhestätte von St. Magnus. Links oben der von dunkleren Steinen eingefasste Stein mit dem Kreuz.

Freitag, 31. Januar 2014

Up Helly Aa und Shetland an sich

Man reist in ferne Länder um exotische Dinge zu essen, unpraktische Bauten anzuschauen, in denen man selbst niemals wohnen wollen würde und um Bräuche zu erleben, die man hierzulande im Strafrecht oder zumindest auf der roten Liste des TÜV finden würde.
In Deutschland wäre Up Helly Aa nämlich sowas von verboten. Gut, es ist besser als brennende Teerfässer durch die Straßen zu rollen, wie die das früher in Lerwick gemacht haben. aber hallo? Eine Horde von Männern, die als Wikinger verkleidet zu Marschmusik mit Fackeln in den Händen durch die Innenstadt laufen und danach unter dem jolendenden Beifall der Zuschauer auf einem Spielplatz ein Schiff verbrennen?

Aber klar doch, was denn sonst?

Bei uns gab es auch mal so was ähnliches, aber die Nazis haben es gründlich verkackt und uns noch für die nächsten 200 Jahre den Spaß an solchen Veranstaltungen verdorben. Denn verkleidet und mit Fackeln durch die stürmische Nacht marschieren macht tierisch Spaß und kann völlig harmlos sein, wenn man es wie die Shetten (Shetties? Shettländer?) macht.

Aber auch auf Shetland ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Ausgerechnet bei der Feuerwehr gab es Stunk, weil sich ein paar der Wikinger in Spe geweigert haben ihre sprießenden Bärte abzuschneiden. Und weil deshalb der Atemschutz nicht mehr vorschriftsmäßig saß, durften die noch nicht mal mehr ausrücken, um eine Katze vom Baum zu retten.
Verstehe ich nicht. Wer es einen Abend lang in den Abgasen von 900 Fackeln aushält, die wahrscheinlich ungefiltert mit dem Zeug getränkt wurden, das BP aus dem Brent-Ölfeld holt, der braucht keinen Atemschutz... Meine Meinung.

Ich hingegen hätte durchaus einen brauchen können. Angeblich war das seit Jahrzehnten das windigste, kälteste und beste Up Helly Aa und ich werde noch ein paar Tage nach Rauch stinken. Zumindest konnte ich den meisten Funken ausweichen, aber nächstes Mal mache ich es so wie die Guizers und nehme eine Taucherbrille mit.
Und ich hab jetzt auch eine Vorstellung davon, wie es aussehen muss, wenn eine Stadt brennt. Ungefähr so:


Der Höhepunkt war aber natürlich das Verbrennen der "Galeere". Hier die kleine Version, denn auch die Jungs dürfen schon Wikinger spielen:


Aber einfach nur Abfackeln ist nicht. Wer in der Jarl Squad sein will, muss es rundum drauf haben. Er sollte wenn möglich am Boot mitbauen, einen mächtigen Bart haben, genügend Geld für das beeindruckende Kostüm haben und ach ja, singen müssen sie auch alle können. Hier der Up Helly Aa Song. Ich bitte bei Gelegenheit um einen Heavy-Metal-Remix, das Ding ist schon ein wenig eingestaubt:



Aber kämpfen können sie nicht. Ihre Äxte und Schilde haben sie nur zur Zierde. Als ich einem der Wikinger seine Axt weggenommen habe, hat er gleich Angst gekriegt. Hier der Beweis:

 
Verständlich, ich kann schließlich ein ziemlicher Berserker sein:


Ach und auch wenn euch der wahrscheinlich nichts sagt, im Museum ist mir Neil Oliver über den Weg gelaufen.

Mit dem hätte ich mich eigentlich über so tolle Orte auf Shetland wie Jarlshof austauschen können. Dort, am südlichen Ende von Shetland hat Sir Walter Scott sich von den Ruinen des Herrenhauses, das Earl Robert oder Earl Patrick auf den Ruinen eines Mittelalterlichen Bauernhofes errichtet hat, der auf den Ruinen eines Langhauses der Wickinger stand, das diese auf den Ruinen von piktischen Häusern gebaut haben, die wiederum auf den Resten von mehreren Steinzeitsiedlungen standen, für "der Pirat" inspirieren lassen.
Wir wurden bei unserem Besuch etwas eingegraupelt, aber in den Wheelhouses und dem Broch war es windstill und fast gemütlich.

Brochs sind übrigens Gebäude aus der Steinzeit, die aussehen wie Kühltürme. Von unserer Unterkunft aus konnten wir den Broch von Mousa sehen (wenn es mal zwischendurch für 5 Sekunden aufgehört hat zu regnen), der mit seinen 13 Metern der am besten erhaltene überhaupt ist. Trotzdem weiß keiner so genau, wozu die Dinger gut waren. Richtig wohnen konnte man in den fensterlosen Dingern nicht und zur Verteidigung ... naja, ich weiß nicht ... Einigen wir uns einfach auf "irgendwas mit Kult".
Das hat in der Steinzeit schließlich jeder Hipster gemacht, der gerade mit der Uni fertig geworden ist. Vor dem Clickimin Broch gibt es falls Ihr mir nicht glaubt als Beleg eine kleine Prozessionsstraße und zwei in einen Stein gemeißelte Fußabdrücke, die irgendwas mit uralten Krönungszeremonien zu tun haben sollen. Ein Schwert im Stein wär mir lieber gewesen ...

Dienstag, 21. Januar 2014

Abenteurer, Ausreißer und Gestrandete

Wenn man durch die Straßen von Stromness läuft, fallen einem immer wieder diese blauen Plaketten auf:


Gut, die hier ist nicht ganz ernst gemeint, auch wenn es Walter Dalrymple Maintland Bell wohl tatsächlich gegeben hat. (Berichtigt mich, wenn euer Schwedisch besser ist als meins)

Aber die hier ist echt:

Man bekommt hier so eine Plakette, wenn man es
1. nicht mehr in Stromness ausgehalten hat und mit dem nächstbesten Schiff abgehauen ist und dann
a) Schiffbruch erlitten hat
b) von Einheimischen entführt wurde
c) irgendeinen Flecken Erde erforscht hat, an dem es wirklich nicht schön ist
d) auf unliebsame politische Elemente aufpassen musste und
2. daraufhin schnurstracks zurückgekommen ist, weil Stromness doch nicht so schlimm ist.

Es gibt natürlich auch Ausnahmen, wie George Mackay Brown, der seine Plakette für sein besonders männliches Kinn bekommen hat.

Aber bleiben wir bei Eliza Fraser: Sie erlitt zusammen mit Ihrem Mann dem Capitän der Stirling Castle Schiffbruch vor Fraser Island an der Ostküste von Australien und wurde von Aborigines gekidnapped / aufgenommen. Ihr Mann ist dabei praktischerweise gestorben (worden) und wenn man die Berichte überfliegt, was damals passiert ist, scheint es eine wichtige Rolle zu spielen, dass man von den Aborigines nur dann akzeptiert wurde, wenn man sich nackt auszog. Bei anderen Eingeborenen war das nicht so sehr zu empfehlen, weil sie dann den Nabel sehen konnten und wussten, dass man auch nur ein Mensch ist, was zu sofortigen Übergrifflichkeiten führte. Aber das ist eine ganz andere Geschichte ...

Jedenfalls wurde Eliza Fraser von John Graham gefunden, einem ebenfalls nackten Verbrecher (hab ich noch ein Klichee über Australien ausgelassen?), der sie wahrscheinlich auf einem Känguru zurück in die Zivilisation gebracht und einen Koala geschenkt hat.
Inzwischen wieder vollständig bekleidet hat sie Kapitän Alexander Greene geheiratet und ist mit ihm nach England zurückgekehrt. Und hier fängt es an richtig interessant zu werden, denn die Stromnesser (Stromnessen? Stromnesen?) sind schlaue Leute und Eliza hat ihre Geschichte zu Geld gemacht. Tränenreich hat sie die arme Witwe gespielt, weil das in Sydney auch schon gut geklappt hat (dort hat man 400 Pfund für sie gesammelt). Und von dem Rummel um ihre Person wird sie auch profitiert haben. Ihr Haus in Stromness liegt direkt am Wasser und macht nicht den schlechtesten Eindruck auf mich: gute Lage, geldige Nachbarschaft.

Das Bewerbungsfoto von John Renton für seine Stelle als Entführungsopfer 
Der nächste Plakettenmensch ist John Renton. Der hat sich in San Francisco shanghaien lassen. Fragt mich nicht, wie er nach San Francisco gekommen ist, das weiß er wahrscheinlich selber nicht mehr. Und weil das Schicksal ihm zeigen wollte, dass die Welt außerhalb von Stromness einfach nur fies ist, wurde er dann auch noch von einem Kopfjäger-Stamm auf den Salomonen (auf der Insel Malaita) gefangen genommen, nachdem er vom Schiff geflohen ist. Laut seinen Erinnerungen war das aber nicht ganz so schlimm. Er wurde sogar vom Häuptling adoptiert und hat eine nette Halskette aus menschlichen Zähnen bekommen. Achso: Und ich hab gelesen, dass die angeblich auf den Inseln immer noch irgendwo einen Schrein für ihn haben. Hm... sind damit jetzt die Salomonen oder Orkney gemeint?


Egal, auf zum nächsten Abenteurer, der sogar einen Brunnen mit seinem Namen hat: Sir John Spencer Login. Seine Familie war, wie der Name schon sagt, dick im Onlinegeschäft Servicegeschäft für Seeleute und neben einem Inn hatten die auch Login's Well, wo sich alle Welt mit Frischwasser versorgte.
Login hätte beinahe bei der letzten Expedition von Sir John Franklin mitgemacht (und wäre dann bestimmt von John Rae gefunden worden, aber dazu später mehr), arbeitete eine Weile als Schiffsarzt und heuerte dann 1832 bei der Ostindienkompanie an. Einige Zeit später holte man ihn als Privatlehrer / Vormund (bis 1858) zum 10jährigen Dunleep Singh, dem letzten Maharadscha der Sikh. Die Engländer hatten den 1846 den ersten Krieg gegen die Sikh gewonnen und Singh ging in die Verbannung nach London. Seine Lebensgeschichte ist ein ganz eigenes Abenteuer, aber hier geht es um Login. Seine Frau hat zwei Bücher über ihn geschrieben: Sir John Login and Doleep Singh und Lady Login's Recollections. Er muss ein ziemlich cooler Typ gewesen sein. Geborener Anführer, Wohltäter und dabei so bescheiden. Wenn er adelige Inder behandelte, wollte er partout die Elefanten und Tiger nicht als Geschenke annehmen. Komisch ...
Ah, ich könnte wahrscheinlich seitenweise so weiterschreiben, aber ich will euch den Entdeckerspaß nicht verderben. Außerdem bin ich noch nicht fertig. Es gibt noch mehr Persönlichkeiten.

Wir hätten da noch John Gow, einen Piraten, aber an den erinnert man sich hier nicht so gern. Außerdem die alte Bessie Mills (keine Ahnung, ob die eine Plakette bekommen hat), die guten Wind an die Seeleute verkauft hat. Was Sir Walter Scott bei ihr wollte, weiß ich nicht, vielleicht hatte er nach dem Genuss von zu viel Neeps and Tatties Probleme mit seinen eigenen Winden. Jedenfalls hat sie ihm von John Gow erzählt und er hat daraufhin The Pirate geschrieben.

Dr. John Rae
Lassen wir die und noch einige andere links liegen und wenden uns meinem persönlichen Helden (nach Sir John S. Login natürlich) zu: Dr. John Rae, alias ᐊᒡᓘᑲ (Aglooka, "der lange Streicher"). Er wurde von den Inuit nicht ohne Grund so ähnlich genannt wie Aragorn und im Vergleich zu ihm sehen die Waldläufer alt aus.
Wenn das Wetter gut ist, kann ich von hier aus sein Geburtshaus sehen und da drüben in Orphir gibt es wenig mehr zu tun als zu Jagen, zu Segeln und sich für ein Leben als Abenteurer vorzubereiten. Raes Familie hatte Geld und so konnte sich John aussuchen, ob er Pfarrer oder Arzt werden wollte. Wahrscheinlich standen auch noch Kapitän oder Bankier zur Auswahl. Egal für was er sich entschieden hätte, auf einem Schiff wäre er so oder so gelandet.
Er nahm eine Art Ferienjob auf einem der Schiffe der Hudson's Bay Company an, das prompt einen Winter lang irgendwo in Kanada vom Eis eingeschlossen wurde. Das hat ihm so gut gefallen, dass er gleich dort blieb. Da er aber nicht jedesmal warten wollte, bis das Wasser eisfrei war, hat er sich irgendwann zu Fuß, im Hundeschlitten und im gerade frisch entwickelten Schlauchboot auf den Weg gemacht um die lauschigen Strände zu erkunden. Außerdem wollte alle Welt wissen, wo denn diese Nordwestpassage lag und irgendjemand musste ja danach suchen.


Um es vorweg zu nehmen: Er hat die Nordwestpassage gefunden, aber dummerweise hat er dabei auch herausgefunden, was mit Sir John Franklin passiert ist, bzw. dessen Crew auf den Schiffen HMS Terror und HMS Erebus. Ihr kennt die Geschichte bestimmt: Kälte, Dunkelheit, mit Blei vergiftete Dosennahrung, danach Tod, Wahnsinn und ein wenig Kannibalismus.
Lady Franklin haben diese Geschichten, die das Andenken ihres Mannes beschmutzen konnten, mitnichten amüsiert. Sie hat sogar Charles Dickens angeheuert, damit der - ganz untypisch für seinen sonst meist menschenfreundlichen Charakter - ein wenig über John Rae und die Inuit lästert. Deswegen steht das Denkmal für Rae heute in Stromness und nicht in London und ist auch eine Ecke kleiner als das von Franklin. Dafür entspricht der Text darauf der Wahrheit. Die schottische Regierung hat mal darum gebeten, dass das geändert wird, aber der Antrag muss wohl irgendwie in der Post verloren worden sein.

Aber zumindest hat Rae eine blaue Plakette in Kensington bekommen.
Schweinerei finde ich, denn er ist noch mit 71 Jahren durch die Wildnis von Island, Grönland und Kanada gestiefelt, hat sich weiterhin mit den Einheimischen angefreundet und von ihnen gelernt, wie man in der Kälte überlebt.
Anfangs hatte er noch leichte Probleme damit und hat sich mit seiner ersten Expeditionscrew in monatelanger, mühevoller Arbeit ein Haus nach orkadischem Vorbild gebaut - nur um dann festzustellen, dass es darin arschkalt ist und es sowieso kein Holz zum heizen gab. Daraufhin hat er sich von den Inuit zeigen lassen, wie man ein mollig warmes Iglu baut.
Zeitaufwand: eine halbe Stunde.
Das Steinhaus ist inzwischen nur noch eine Ruine, aber ich glaube auch wenn nicht, hätte ich Schwierigkeiten es von hier aus zu sehen ...


Mittwoch, 15. Januar 2014

Stromness, Klappe, die zweite

Ich bin noch nicht dazu gekommen, die Audio-Tour durch Stromness mitzumachen, aber ich hab die Stadt auch so schon in mein Herz geschlossen. Sie ist ein Schatzkästchen.
Man muss nur das Glück haben, dass sich irgendwo eine Tür öffnet während man gerade daran vorbei läuft oder frech einen Blick durch die Gardinen der Geschichte werfen um die ein oder andere tragische, lustige oder liebenswerte Geschichte mitzuerleben.
Heute stand bei mir ein Vortrag von Mark Jenkins über Film Editing auf dem Programm und neben allerhand schlauen Dingen über die Komposition von Filmen hatte er auch eine nette Anekdote über Robert Shaw auf Lager, aber dazu gleich.


Mark sieht ein wenig aus wie ein netterer Verwandter von Mel Gibson und war mir von seiner ersten Powerpoint-Folie an sympathisch. Sein Einstieg in den Vortrag war "Singing in the Rain". Haaach ... Gene Kelly ...

Er hat sein Handwerk von der Pieke auf gelernt, erst als Filmvorführer gearbeitet (hallo Kollege), sich dann am Cameo Cinema in Edinburgh zum Ober-Vorführer (oder wie auch immer das deutsche Wort dafür ist) hochgearbeitet und ist von da aus über kleine Filmjobs an den Schneidetisch gerutscht. Und dann hat er angefangen selber Filme zu machen. Wie zum Beispiel den hier über Skapa Flow:


Ich will euch hier nicht mit den guten alten Zeiten voll tausender Filmstreifen wie Lametta langweilen oder den noch älteren Zeiten, in denen man noch nähen können musste, um Filme zusammenzufügen (deshalb hat die ACE bis heute einen ziemlich hohen Frauenanteil). Jedenfalls ist der Mann eine Fundgrube an Wissen und hat darüber hinaus auch einige ziemlich schlaue eigene Ideen.
Wenn Ihr mal in Stromness seid, stattet ihm doch mal einen Besuch ab. Ihr könnt euch auch eines der Bücher aus seiner Filmbibliothek ausleihen.

So, jetzt aber zur Anekdote: Mit 7 Jahren zog die Familie von Robert Shaw nach Stromness. Sein Vater war Alkoholiker, und der kleine Robert nach allem, was man so hört ein ziemlicher Lausbub. Und weil das Lausbuben so machen hat er das Gebiss seines Vaters eines Tages das Klo runtergespült.
Das war nicht weiter schlimm, denn die Abwasserrohre endeten eh im Hafenbecken. Also hat Vater Shaw den Kleinen eine Runde zum Tauchen verdonnert und das Gebiss danach wieder in seine Kiefer gesetzt.
Wir drücken jetzt den Schnellvorlauf und sehen Robert 48 Jahre später nach einem ganz anderem Gebiss tauchen. Diesmal, weil ihn Steven Spielberg dazu verdonnert hat ...

Ja, das ist nicht ganz so lustig, wenn man es auf Deutsch erzählt, aber solche Geschichten kommen einem hier ständig zugeflogen. Das nächste Mal muss ich euch unbedingt vom Museum in Stromness erzählen. Es ist der absolute Traum. Nicht nur für Volkskundler.





Mittwoch, 8. Januar 2014

Geh' zum Metzger ... wenn Du wissen willst, wer gestorben ist

Ah, dieser herrlich schwarze britische Humor! Diese Effizienz!
Wenn man hier zum Einkaufen geht, dann kann man das noch in Läden tun, die vom Mehl bis zum Rasenmäher alles haben. Deshalb ist es hier auch ganz normal, dass im Schaufenster neben den Sonderangeboten und Ankündigungen von Veranstaltungen auch ein paar Todesanzeigen hängen.
Im Blumen- oder Trauerkartenladen passt das sogar, finde ich, aber wenn man das bei einer Metzgerei sieht, fragt man sich schon für einen Moment, wie weit die Inseln mit den Begräbnisgewohnheiten im restlichen Europa Schritt halten konnten.
Da fällt mir ein, dass ich hier noch kein einziges Bestattungsunternehmen gesehen habe ...

Samstag, 4. Januar 2014

Angekommen auf Orkney

Kirkwall über London und Aberdeen. In zunehmend schlechterem Wetter und zunehmend kleineren Flugzeugen. Aber auch mit zunehmend freundlichen Menschen.
Ich bin jetzt also auf Orkney angekommen und die Insel hat meine Frau und mich gebührend empfangen: Es hat so sehr gestürmt, dass das Flugzeug fast seitlich zur Landebahn aufsetzen musste und so sehr geregnet, dass die Fische fast durch die Luft schwimmen konnten.

Aber, wie immer wenn wir reisen, war nach dieser stürmischen Begrüßung bald schon wieder alles ruhig und nach der ersten Nacht im vorgewärmten Bett hatten wir diesen Ausblick auf einen Seitenarm von Scapa Flow:


Also nichts wie frühstücken, Schuhe anziehen und  Stromness erkunden!


Man muss sich bei Stromness einen Ort vorstellen, in dem an den Häusern Hirschgeweihe und Walknochen neben kitschigem Deko-Kram und Gedenktafeln hängen können ohne dass sich jemand großartig Gedanken darüber machen muss. Die Hudson Bay Company hat hier lange den Ton angegeben und die Autos, die sich durch die viel zu engen Gassen quetschen wirken nach wie vor ein wenig deplatziert. Wahrscheinlich kann man Stromness eh nur vom Meer aus richtig erleben, aber so weit haben wir uns noch nicht vorgewagt. Kommt noch, wenn wir nach Shetland schippern.




Ansonsten ist Stromness klein. Wir wurden gleich angesprochen, ob wir nicht die sind, die gestern mit dem Flieger aus Aberdeen angekommen sind. Ja, sind wir und wir wollen 3 Monate bleiben. 3 MONATE?! Aber ja, schließlich sind die Inseln ja für ihr schönes Wetter bekannt. Hier lässt man sogar das Museum zugeschlossen, damit man das so richtig genießen kann:


Ihr glaubt mir nicht? Dabei ist hier Anfang Januar schon der Frühling angebrochen und die Palmen gedeihen auch ganz prächtig

:


Ansonsten ist die Zahl der Katzen wahrscheinlich genau auf die Zahl der Bäume abgestimmt oder anders herum, die Golfer spielen wahrscheinlich mit Bleibällen, damit die nicht weggeweht werden (aber sie spielen!) und noch sind die meisten Läden im Winterschlaf.